Upgrade: Kollaboratives Lernen von Björn Nölte - Rezension

Jan. 19, 2023

„Kollaboratives Lernen“ – unterrichtsrelevantes Vorwärtswissen

Der Fachautor Björn Nölte legt mit diesem 160-Seiten-Bändchen in der Reihe „Upgrade“ ein Vademekum, einen Leitfaden vor für zukünftige und aktive Lehrer und all jene, die in irgendeiner Form in der Lehre tätig sind.

 

Eine Kurzbeurteilung voran:
Das Bändchen darf als unverzichtbar in einer zeitgemässen Lern- und Arbeitskultur angenommen werden, richtig toll gelungen!


Der Inhalt basiert auf Erfahrungswissen des Autors, denkt und unterstützt Bildungsarbeit und speziell Schule in absolut praxisorientierter Weise.


Auf jeden Fall empfehlenswert!


Aufbau und Inhalt:

Das Buch lässt sich grob in drei Teile gliedern:

Angefangen von der Begriffserläuterung und Abgrenzung der Kollaboration zur Kooperation über verschiedene Kollaborationsmodelle geht Nölte in einem zweiten Teil sehr schnell in die praktische Umsetzung dieser Lernform hinein. Diagnostizieren kollaborativen Lernens und die Bewertung kollaborativer Leistung finden dort in plastisch-praktischer Weise ihren Platz und schliessen die Klärung damit verbundener Spannungsfelder mit ein.


Hilfreich sind die Hinweise auf verschiedene Bewertungsaspekte und inhärente Herausforderungen, etwa Prozess-Beurteilung und Produktbeurteilung.


Zudem stellt der Autor konkrete und erfolgreich angewandte Erfahrungsbeispiele Dritter vor.


Dass die Handreichungen Nöltes praktikabel sind, kann der Rezensent auch aus eigener kollaborativer Unterrichtspraxis in Fächern wie Musik, Theaterpädagogik, kreatives Schreiben im Sprachunterricht, aber auch aus der Projektarbeit ohne Themeneinschränkung bestätigen.


Methodisch ist dieses Buch wirklich ein tolles Hilfsmittel!


Kollaboratives Arbeiten als Haltung

In einem dritten Bereich beschreibt Nölte, wie die kollaborative Arbeit anhand darauf ausgerichteter Schulkonzepte in der Praxis funktionieren kann.

(Eigentlich geht es dabei ja nicht nur um Einzelmodule oder –Fächer, sondern im Prinzip um eine grundlegende Lern-, Arbeits-, Lehr- und Lebenshaltung.)


Er greift hierzu Hintergrundwissen auf, das wir aus der Psychologie sowie aus verschiedenen allgemein bekannten Studien kennen – kennen sollten – und leuchtet die Themen Beziehung und Status ganz besonders mit Schweinwerfern an.


Dieser Abschnitt mündet dann in Kapiteln, in denen es um eigenes Wissens- und Kollaborationsmanagement geht. Der Autor gibt auch hier konkrete und funktionierende Handreichungen zur Umsetzung.


einsatzbereites Download-Material

Schliesslich findet der Leser einen Hinweis auf das Download-Material. Dieses knüpft harmonisch an den Buchinhalt an, bietet erläuternde Vertiefungen, stets sehr übersichtlich, didaktische Handreichungen sowie 1:1-Vorlagen für den praktischen Unterricht. Nicht zu vergessen: Online-Tools, die als Hilfsmittel in Funktionsweise und Einbindung in die praktische Arbeit vorgestellt werden sowie umfangreiche weiterführende Links.


Plädoyer an Lehrtätige

Ein Plädoyer des Rezensenten an alle Fortbildner, inkl. Hochschullehrer und Studienseminarleiter: integriert in der Arbeit mit diesem Buch stets den Aspekt, welche Aufgaben bei den kollaborativen Prozessen das schulische Verwaltungspersonal (Hausmeister, Sekretariatsmitarbeiter etc.), Mitarbeiter der örtlichen Gebäudeverwaltung und Schulamtsleiter, Bezirks-Schuldirektoren und dgl. zu übernehmen haben. Oder andernfalls: sich herauszuhalten. Wer bietet, redet mit, wer nicht bietet, ist nicht kollaborationsfähig und stellt demgemäss bitteschön auch keine Forderungen!

Eigentlich eine Grundregel kollaborativer Arbeit.


Und bezieht nichtschulische Aussenstehende in Eure kollaborativen Arbeitsformen ein. Da liegt ein Riesenpotential! Eltern, Freunde, Nachbarn, Handwerksbetriebe, wer immer auch in Frage kommt!


Kritisches Aber:

So eindeutig gelungen dieses Werk als Hilfe im Unterrichtseinsatz ist, es fehlt der verbindliche Appell zum Umgang mit den Verwaltungsstrukturen:


Sowohl schulinterne wie ganz besonders nötig übergeordnete Strukturen werden bis auf ein paar bewertungsrechtliche Aspekte mit keinem Wort erwähnt.


Wenn die Adminstrativumgebungen mit ihren bekanntermassen überfordernden und laufend mit der Dienstrechtskeule drohenden nebenunterrichtlichen Ansprüchen nicht blitzartig (sic!) auf die Praxisebene herunter geholt werden, bleibt vieles in diesem Büchlein nur bedingt umsetzbar oder aber wird zu zusätzlichem Leistungsdruck für Lehrer führen. Die Verwaltungstäter werden dann weiterhin die Schulpraxis in Formalismen ertränken, erst recht offene kollaborative Arbeitsweisen mit entsprechend angemessenen Bewertungsformen, die sich oft durch eine experimentelle Komponente auszeichnen.


… und ein konkreter konstruktiver Vorschlag:

Das schränkt den Wert dieser vorliegenden 1. Auflage nicht im Geringsten ein.


Der Rezensent richtet diese Kritik als Einladung an den Verlag und den Autor, in einer 2. Auflage oder einem möglichst umgehend folgenden separaten Schwerpunktband diese Aspekte sehr dezidiert zu ergänzen und zu adressieren.

Denn ohne rabiate (!) Veränderungen in der Schulverwaltung und -aufsicht wird sich das schulalltägliche Belastungsdesaster auch mit solch wundervollen Tools nicht beseitigen lassen. Facilitating auf allen Ebenen und systemische Augenhöhe sind unumgänglich, wollen wir das Potential von Kollaboration und damit die „Futability®“ unserer Schullandschaften wirklich ausrollen.

 

(Anm: Futability® ist eine geschützte Marke von Melanie Vogel, Bonn)

 

bibliographische Angaben:

Nölte, Björn:

Upgrade: Kollaboratives Lernen

Sehen – Fördern – Bewerten

Klett-Kallmeyer, Dezember 2022

158 Seiten, kartoniert

ISBN: 978-3-7727-1656-0 

Viel-Sicht-Blog

Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude ... Autobiographie-Cover Arie Sharuz Shalicar
von Nils W. Bräm 10 Aug., 2022
Arye Sharuz Shalicar schildert in seiner Jugend-Autobiographie sein Leben als iranischstämmiger Junge im Berliner Wedding der 1990er Jahre bis in sein studentisches Erwachsenenalter. Ein sozialkritisches Kaleidoskop aus authentischer Ich-Perspektive, das zu Denken gibt und unverblümt auf nicht gemachte Hausaufgaben in deutschen (Jugend-)Lebenswelten hinweist. Lesenswert in jeder Hinsicht: spannend erzählt, schöne gepflegte Sprache und doch leicht verständlich. Meine Empfehlung ausdrücklich auch als Schullektüre ab Klasse 7 oder 8.
Friedenstaube auf Hand
von Nils W. Bräm 08 März, 2022
Gedanken dazu, ob (privates) Reisen in Zeiten des Krieges in der Ukraine moralisch verantwortbar sei. Nils W. Bräm zeigt Handlungsspielräume auf und mahnt moralische Entscheidungsfreiheit an.
Sie oder Du - Die korrekte Anrede – ein unermessliches Haifischbecken
von Nils W. Bräm 28 Juli, 2021
Situations-gerechte Anrede und Kommunikation - Regelmässig taucht die Frage des angemessenen Duzen oder Siezen im geschäftlichen und auch privaten Kontext auf. - Ist es unverschämt, einen Kunden direkt zu duzen? Ist es entgrenzt, seine Mitarbeiter zu duzen und sich von ihnen duzen zu lassen. - Sind die Duzfreunde meiner Duzfreunde auch meine Duzfreunde? Lesedauer ca. 5 Min.
Medien-Portfolio - vielfältige Informations-Grundlage
von Nils W. Bräm 17 Juli, 2021
Das gibt zu denken ... „Ein Zitat aus dieser Zeitung geht gar nicht!“ – Und ob das geht … Unterschiede in der politischen Diskussionskultur (hier D und CH) wahrnehmbar und wie wir mit einer integriert-mediatorischen Haltung in Richtung einer Lösung vorankommen können.
Ambient Fussball am TV - cc0 - pexels
von Nils W. Bräm 28 Juni, 2021
Was ist Resilienz? Ein Beispiel: Achtelfinalspiel Schweiz - Frankreich vom 28.6.2021 in Bukarest - Fussball-EM 2021
Paar mit Megaphon-Köpfen diskutiert am Tisch sitzend - ClipArt Mohamed Hassan Pixabay cc0aa
von Nils W. Bräm 05 Mai, 2021
Warum wir Fragen als Kommunikations-Instrument benötigen - je mehr interkulturelle Begegnung, umso mehr wird eine Fragekultur zur schlichten Notwendigkeit. Ein Plädoyer für Vielfalt - Vol. I
Weitere Beiträge
Share by: